Webtechnologien Wintersemester 2024

Webtechnologien

Quelle: Gino Mempin

Wie alles begann

Quelle: Wikipedia

  • 4. Oktober 1957: Sowjetunion bringt erfolgreich den ersten Satelliten namens Sputnik 1 in die Erdumlaufbahn.
  • Da war Tim Berners-Lee gerade zwei Jahre alt.
  • Das mit dem Satelliten schockierte die USA, vor allem, da sie ein eigenes, unfertiges Programm hatten.
  • Das führte zur Gründung der Advanced Research Projects Agency, ARPA, um gezielte Technologieforschung zu betreiben.
  • 1960 veröffentlichte Joseph Licklider ein Paper namens Mensch-Computer-Symbiose.
  • Woraus erst einmal nichts wurde

ARPANET

ARPANET

Quelle: Martin Dodge

  • Allerdings mündete es 1967 in den Plänen zum ARPANET
  • das Ende 1969 mit 4 Computern in Betrieb ging.
  • 1971 (Bild) 15 Knoten, Telnet und FTP werden entwickelt

ARPANET

ARPANET

  • Foto: ARPANET 1973
  • Das ARPANET gefiel auch in Europa und eigene Netze entstanden (GB, FR)
  • Anfang der 80er, ARPANET’ler: könnten ja alle Netze verbinden
  • Tiefseekabel, Satelliten
  • Internationale Bemühungen → Interconnected Networks (kurz Internet)
  • Und das lief dann erstmal eine Weile, und wuchs, aber blieb Nerd-Sache, yadda yadda…

Zu was anderem …

Wissens-
-repräsentation




System der Kenntnisse des Menschen
aus der Encyclopédie von
D’Alembert und Diderot (1751)

Quelle: Wikipedia

Wissensrepräsentation!

  • Dichotomischer Baum des menschlichen Wissens
  • Dichtom: gr. dichótomos, entzweigeschnitten
  • Baum-Modelle sind hierarchisch und dichotomisch angelegt
  • Z.B. klassische Bibliotheken, Enzyklopädien
  • D’Alembert und Diderot haben das Defizit erkannt und Querverweise und so eingeführt

Rhizome

Quelle: Wikipedia

  • Bild: Ingwerrhizome − ein Geflecht ohne Stamm
  • Rhizome (griechisch, Eingewurzeltes): Wurzelgeflechte von Pflanzen
  • In der Philosophie eine Metapher für ein postmodernes / poststrukturalistisches Modell der Wissensorganisation und Weltbeschreibung, das ältere, durch eine Baum-Metapher dargestellte, hierarchische Strukturen ersetzt
  • also: nicht nur hübsch bei Pflanzen, sondern auch sonst sehr praktisch

Das Web – vague, but exciting …

Das Web

Quelle: Wikipedia

  • An der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) arbeiten viele Leute an vielen verschiedenen Projekten.
  • Wer woran arbeitete, konnte man im Internet nachsehen. Aber es war nicht sinnvoll strukturiert. Es war hierarchisch, linear.
  • Das nervte Tim Berners-Lee und er suchte nach einer Lösung
  • Tim veröffentlichte 1990 ein Paper namens Information Management: A Proposal, das ein System zur Verwaltung von Informationen beschrieb. (Das Proposal kam vom Management mit dem Kommentar Vague, but exciting … zurück)
  • (Beispielsweise Bücher müssen Linearität aus nichtlinearen, sondern netzartigen Strukturen schaffen.)
  • Er argumentierte, dass Knoten verknüpft mit anderen Knoten besser sind als ein fester, hierarchischer Weg zu diesen Knoten.
  • Statt eines Baums bevorzugte er ein Netz.
  • Denn rhizomatische Struktur entspricht besser der Struktur des menschlichen Denkens

Das Web

  • Tim Berners-Lee erdachte ein Hypertext-System, das mit dem Internet funktionierte und damit weltweit
  • Er entwickelte das Kommunikationsprotokoll HTTP
  • und die Auszeichnungssprache HTML
  • und einen Browser (WorldWideWeb, später Nexus)
  • und einen Server, der Hyertext-Dokumente auslieferte
  • Hypertext-Systeme (gr. hyper: über etwas), die Dokumente nicht linear verknüpften, gab es schon
  • Dabei sollte Text in Dokumenten angereichert werden und auf andere Dokumente zeigen können, um von einem zum anderen zu springen.
  • Das Internet war jetzt Jahre 22 alt, als er sein WorldWideWeb getauftes System 1991 veröffentlichte

  • Zuerst hieß es Mesh, aber das klang zu sehr nach Mess
  • dann gab es noch Mine of Information (MOI) und The Information Mine (TIM)
  • Mine war nicht gut, weil aus ihr nur genommen wird, nichts gegeben
  • WWW bricht in Englisch und Französisch die Zunge

Aber wie allgemein bekannt ist, setzte sich das Web nicht durch …

Gopher

Gopher

Quelle: Wikipedia

  • Zur gleichen Zeit etablierte sich als Alternative zu FTP Gopher, ein System zum Informationsaustausch (weil FTP zu nervig)
  • Im Gegensatz zu HTML-Seiten bot Gopher ein automatisch generiertes Menü an, das aus den im aktuellen Verzeichnis befindlichen Dateien generiert wird.
  • 1993 gaben die Gopher-Leute bekannt, dass sie Lizenzgebühren für ihre Implementierung verlangen werden.
  • Woraufhin die Suche nach Alternativen begann (und Gopher starb).

Zurück zum Web…

Das Web

  • Hypertext-Dokumente
  • Hypertext senkt Redundanz (einmal schreiben, dann verlinken)
  • Links sind unidirektional – keine Meldepflicht, Nachfragen oder Hilfs-Anpassungen etc
  • Es bedarf aber zwei weiterer Ereignisse, um sich durchzusetzen und Gopher abzulösen
  • April 1993 gab CERN den Quelltext des WorldWideWeb in die Gemeinfreiheit, wodurch jeder es kostenlos benutzen konnte
  • Im selben Jahre veröffentlichte die NCSA ein Programm namens Mosaic, das eine Kombination aus Gopher-Client und Web-Browser war (und <img> implementierte)
  • Dezember 1993 gab es Mosaic dann nicht mehr nur für UNIX, sondern auch Apple Macintosh und Microsoft Windows, wodurch das Ding durch die Decke ging
  • Danach kamen immer mehr Browser, häufig aus Forschungsprojekten entstanden, so auch 1994 Opera

W3C

  • 1994 gründete Berners-Lee das World Wide Web Consortium (W3C)
  • Ziel: Standardisierung der Protokolle und Technologien des Webs
  • Veröffentlichte Specs zu HTML 4.01, PNG images, Cascading Style Sheets
  • Forcierte aber nie deren Einhaltung
  • Keine Forcierung + kein Verkaufsargument (who cared?) = keine Einhaltung

Und dann wurde es dunkel in der Welt …

Browser
Wars

Abbildung ähnlich.

Denn die Browser Wars begannen.

  • Bild: nicht wirklich die Browser Wars

Browser Wars

Mosaic

NCSA Mosaic 3.0 für Windows

Quelle: Wikipedia

  • Popularität zieht Kommerz an
  • Mosaic wurde kommerziell, nannte sich zu Netscape um und den Browser zu Netscape Navigator
  • Implementierte Scripting (LiveScript, heute JavaScript) und Cookies

Dann kam Microsoft ins Spiel …

Browser Wars

Browser Wars

Quelle: Wired

  • arbeitete erst noch mit Netscape zusammen und positionierte den Internet Explorer als Konkurrent
  • Das war erst gut, weil Konkurrenz Fortschritt befördert, mehr Features, Anbiederung bei Entwicklern
  • Allerdings: Wildwuchs, Features ohne Spec, Neues statt Bugfixes
  • Entwickler mussten mehrere Versionen für verschiedene Browser bauen oder andere blocken

Der IE gewann und damit begann das dunkle Zeitalter

Browser Wars

Browser Stats

Quelle: statcounter

  • Chrome ist heute von der Verbreitung her, was der IE damals war
  • Nur offen – wobei auch da diskutiert werden kann

Standards

  • W3C entschied Anfang 2000, dass die Zukunft des Webs in XML läge und HTML kompatibel sein solle
  • Daraus entstand XHTML
  • Was leider an der Realität vorbei ging
  • (wie fast alles mit X vorne: XHML2, XFrames, XForms … XPartner *tusch*)
  • IE kam nie gut mit XHTML klar
  • es fehlte an kompatiblen Entwicklertools
  • und es passte nicht zu dem, was Entwickler in der Realität taten

Standards

  • 2004 gründete sich die WHATWG
  • Ziel war eine bessere Spec, die
    • eine neue Generation von Web-Anwendungen ermöglicht
    • abwärtskompatibel ist
  • resultierte in Web Applications 1.0 was im HTML Living Standard mündete
  • 2007 gründete sich im W3C die HTML WG und adaptierte die HTML-Spec der WHATWG
  • WHATWG aus Entwicklern und Firmen wie Opera, Mozilla und später Apple
  • HTML Living Standard versionslos
  • HTML5 brachte neue APIs und Features
  • Vorteile
    • Die neuen Features funktionieren wie die alten (manchmal semantische Änderungen)
    • Neue Features nativ, die vorher nur durch Plugins (Flash, jQuery) möglich waren (Formvalidierung, Video)
    • besser für nicht-statische Dokumente geeignet
    • klar definierter Parsing-Algorithmus, wodurch alle Browser aus demselben Markup denselben DOM generieren

Bla bla bla … Zusammenfassung

Das Web

  • World Wide Web (www) ist eine Anwendung im Internet
  • Läuft auf Port 80
  • Eine Web-Site ist eine Sammlung von Web-Pages einer Domain
  • Drei fundamentale Bestandteile:
    • HTML: Hypertext Markup Language
    • URL: Uniform Resource Locator
    • HTTP: Hypertext Transfer Protocol
  • Browser als übliches Betrachtungsprogramm
  • WWW: Über das Internet abrufbares System von elektronischen Hypertext-Dokumenten, die durch Hyperlinks untereinander verknüpft und über die Protokolle HTTP oder HTTPS übertragen werden.

  • Wie eine Anwendung im Web? Ich dachte, das ist dasselbe!

    • Das Internet verknüpft Teilnehmer
    • Das Web verknüpft Informationen
    • Web verknüpft insbesondere Hypertext-Dokumente, die erreichbar sind durch das Internet.

Apropos Internet …

Internet

Anzahl der Internetnutzer weltweit

Quelle: Statista

  • Das Internet ist heute das größte Netzwerk der Welt.
  • Über 5 Mrd. Nutzer (extrapoliert)

Internet

  • Eines der Erfolgsrezepte war und ist die offene Grundstruktur des Internets: Alle Komponenten und Protokolle sind standardisiert und für jedermann einsehbar.
  • Dasselbe gilt für das Web.
  • Und es ist unfassbar, was in so kurzer Zeit entstanden ist.

Noch mal kurz philosophisch …

Kinder des Web

Wikipedia
Openstreetmap

Und unzählige mehr…

  • Wenn man kurz darüber nachdenkt, was wir da haben: alles Wissen der Menschen, ubiquitär, verfügbar, also jederzeit und an jedem Ort.
  • Vor zwanzig Jahren wäre das undenkbar gewesen.
  • Und hätte damals jemand erzählt, dass das alles frei und kostenlos sein wird, hätte man ihn für einen durchgedrehten Utopisten gehalten.
  • Und heute wirkt es einfach normal. Weil wir uns so schnell an etwas gewöhnen.
  • Dinge von denen wir eben nicht einmal wussten, dass sie exisitieren, sind auf einmal normal.
  • Es gibt einen Sketch von Louis C.K. über Flugzeuge: Wie Leute sich heute beschweren, wenn das WLAN im Flieger kurz nicht geht. Statt zu bedenken, dass wir einfach mal in einem Sessel sitzen. Der fliegt. Mit 700km/h. Über den Wolken!
  • Was ich sagen wollte: Wikipedia war unmöglich. Auch nach Marktgesetzen. Es war unmöglich. Und dann war es da.
  • Was heißt das?
  • Alle großen Ideen kamen, weil jemand Dinge verbunden hat, die keiner vorher verbunden hat. Nicht dass es nicht ging, es wurde nur nicht getan.

  • Das Web ist eigentlich nur ein einfacher Informationsdienst im Internet
  • Aber es hat Märkte zerstört und neue entstehen lassen, samt riesiger Unternehmen wie Google, Amazon, ebay, facebook und Yahoo

  • Joseph Schumpeter, ein Österreicher, präfte den Begriff der Schöpferischen Zerstörung
    • Jede ökonomische Entwicklung (im Sinne von nicht bloß quantitativer Entwicklung) baut auf dem Prozess der schöpferischen bzw. kreativen Zerstörung auf.
    • Durch eine Neukombination von Produktionsfaktoren, die sich erfolgreich durchsetzt, werden alte Strukturen verdrängt und schließlich zerstört.
  • wobei sich das auch schon bei Nietzsche im Zarathustra) findet: Wer ein Schöpfer sein muss im Guten und Bösen: wahrlich, der muss ein Vernichter erst sein und Werte zerbrechen.

  • und wir wissen alle, wie Google und Facebook die etablierte Werbe- und Zeitungsindustrie zersetzt haben, wie Amazon die Buchhandlungen dezimiert hat und, wie auch eBay, den allgemeinn Handel völlig verlagert hat

  • Und wo stehen wir jetzt? …

Das Web heute

Quelle: @AJStacy06

  • Web entwickelt sich immer weiter
  • größte offene Plattform (Flash tot, WindowsMobile tot)
  • Fördert Bricolage: Ad-hoc UI, lokal, alles inspectable, sofort weltweit verfügbar
  • Starbucks-App: iOS 146MB; PWA ~600KB
  • SpaceX-Raumschiff Dragon nutzt Chromium für Interfaces

Das Web heute

XKCD

Quelle: XKCD

  • 2019 wurde das Web 30 Jahre alt.
  • Und es lebt noch immer die ursprüngliche Idee seines Erfinders Tim Berners-Lee, ein universell verbundenes Informationssystem zu bauen, das für die gesamte Welt funktioniert, alle Menschen verbinden kann und alle Geräte.
  • Write once, run everywhere – die Idee von Java. Im Web ist sie wahr geworden.

  • Hypertext: Text, Fußnoten, Glossar, Inhaltsverzeichnis
  • Hypermedia: Grafiken, Audio, Video, (Chat?)

  • Suchmaschinen: Kein AppStore so schnell und gut wie Google-Ergebnisliste

  • Browser werden von guten Dokumentenbetrachtern zur weltweit best verbreiteten, best entwickelten Anwendungsplattform und sind heute schon quasi eigene Betriebssysteme
  • Andere Dienste: E-Mail (GMail), FTP (Dropbox, GitHub), Usenet (Web-Foren), IRC (Facebook, Slack)
  • Ja sogar Skype durch WebRTC

  • Einziger Weg um AppStore und PlatStore herum, einzige Plattform ohne gemanagete Innovation
    • Und innovative Ideen setzen sich so schnell durch wie nie. WebRTC z.B. erreicht heute schon Milliarden von Menschen.
    • Apple verbietet Game Streaming
    • Amazons Spielestreaming (Luna) daher als progressive Web-App
  • Und das Web hat die besten Chancen, Startpunkt der nächsten Milliarde zu sein.